El Valle del Genal – Zwischen Eichen und Kastanien

Das Tal des Río Genal ist das ganze Jahr über fruchtbar und grün. Der größte Teil der Hänge ist mit Kastanien und Korkeichen bewaldet. Viele kleine weiße Dörfer und Städte mit arabischem Ursprung säumen das Tal. Es gehört zur Serranía de Ronda und grenzt an die Sierra Bermeja. Jeder Kilometer der Strecke ist ausgesprochen beeindruckend und durchweg andalusisch. Vielleicht purer als man denkt, denn ganz Andalusien soll ja in früherer Zeit grün und waldig gewesen sein.

Was es dort gibt

Auffallend sind die krassen Gegensätze zwischen den kargen Hochebenen und den dicht bewaldeten Hängen im Tal. Wohl schon zu maurischen Zeiten war die Region sehr beliebt, und so können auch hier eigentlich alle Ortschaften auf eine Geschichte bis in jene Epoche zurückblicken. Teilweise geht es aber noch weiter zurück, sogar bis in die Bronzezeit. Was die Geschichte betrifft, muss jetzt nicht wiederholt werden, was mit den Mauren und Katholiken eigentlich in ganz Andalusien geschehen ist. Es ist einfach immer wieder der Einfluss dieser beiden Kulturen, die das Bild und den Verlauf der Geschichte geprägt haben. Natürlich hat jeder Ort seine eigene ganz individuelle Vergangenheit, oft lassen sich die Ortsnamen auf die ehemaligen Herrscher zurückführen, einmal aber auch auf ein Ereignis in der Geschichte. So soll der Name der Stadt Igualeja daher stammen, dass die christlichen Siedler nach der Vertreibung der Muslimen die Besitztümer zu gleichen Teilen (por igual) aufgeteilt haben. An manchen Orten wird auch noch ein besonderes Image gepflegt, zum Beispiel in Alpandeire. Dies ist der Geburtsort eines der bekanntesten und berüchtigsten Straßenräuber der Serranía de Ronda, Antonio Barbarán Jiménez, auch ‘El Barbarán’ genannt. Er hatte mit seiner zwölfköpfigen Bande in der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts die Region unsicher gemacht. Heute erfreut sich die ganze Gegend wegen der reichhaltigen und fruchtbaren Flora und Fauna eines steigenden touristischen Interesses, besonders bei Wander- und Naturfreunden.

Durchs wilde Andalusien

Diese Tour sollte eigentlich etwas anders verlaufen, doch wieder einmal hat es sich gezeigt, dass jedes Kartenmaterial irgendwo fehlerhaft ist. So geschah es, dass ich auf der A-376, der großen Straße von Marbella nach Ronda, einen Abzweig nach Igualeja und Pujerra suchte und meiner Meinung auch gefunden hatte. Denn nach der Durchfahrt des auf 1.065 Metern Höhe gelegenen Puerto El Madroño stand ein verlockendes Schild mit der Aufschrift “Pujerra – ruta paisajistica”. Ein Blick auf die Karte bestätigte mir, die erste abzweigende Straße führte genau dorthin. Also bog ich ab und folgte der kleinen, gewundenen Bergstraße. Es war in jedem Fall kein Fehler, hier abgebogen zu sein, denn was nun folgte war unbeschreiblich schön. Der Weg führte durch einen wunderschönen und weitläufigen Pinienwald, der sich, soweit das Auge reichte, über Täler und Berge erstreckte. Die Luft war erfüllt vom intensiven Kiefernduft und der Wind rauschte in den feinen Nadeln. Deutlich wurde wieder einmal, dass für diese Nadelbäume kein Hang zu steil und kein Berg zu felsig ist. Plötzlich ein erschrockenes Blöken, eine Handvoll Schafe zog zwischen den Stämmen ihres Weges. Danach wieder absolut friedliche Ruhe, die nur sehr selten von einem vorbeifahrenden Fahrzeug gestört wurde. Nach ein paar Kilometern bog die Straße um den Bergkamm, der Wald wurde lichter und gab den Blick frei auf den gegenüberliegenden Hang. Dort war wieder alles mit Bäumen bewachsen, aber es war eindeutig kein Nadelwald. Auf die Entfernung konnte ich nicht deutlich erkennen, um welche Baumart es sich handelte, also fuhr ich einfach weiter, kam wieder um eine Ecke und stand plötzlich inmitten von Kastanien, ja einem richtigen Kastanienwald. Es sieht sehr originell aus, wenn sich vor einem die dunkelgrünen Baumkronen wie lauter kleine Hügel erheben, aber gespickt mit unzähligen kleinen hellgrünen Kügelchen. Das diese Wälder landwirtschaftlich genutzt wurden, war unverkennbar, denn sie waren allesamt eingezäunt. Auch wurde eine Toreinfahrt von einem zotteligen, ausgesprochen ungepflegtem aber gutmütigen Hund bewacht, der sich ungemein freute, dass sich tatsächlich einmal jemand her begab und ihm seinen zerzausten Wanst kraulte. Bei der nächsten Tüte gerösteter Kastanien im kommenden Winter werde ich bestimmt an all das denken und überlegen, ob sie wohl aus dieser Gegend stammen.

Danach wurde es immer abwechslungsreicher, nach jeder Ecke bot sich ein anderes Bild. Einmal ergossen sich Farnfelder zwischen Kiefern und Eukalyptusbäumen, ein anderes Mal öffnete sich der Blick in märchenhafte Täler mit Wäldern und Wiesen. Es folgten wieder dichte Kastanienwälder, den ganzen Berg entlang, an dem sich die Straße abwärts schlängelte. Nach einigen Kurven erreichte ich schließlich eine Ortschaft, von der ich vermutete, dass es Igualeja war, aber ich hatte kein Ortsschild gesehen, war mir daher nicht sicher. Also fuhr ich weiter, bis hinab ins Tal, wo der Weg über einen Río Seco führte, an der anderen Talseite weiterging und schließlich an einem Abzweig vorbeikam, an dem ein Schild nach Pujerra in die Richtung zeigte, aus der ich gekommen war. Also war es wohl jene Ortschaft, die ich passiert hatte, und nicht Igualeja. Zu meiner Überraschung folgte als nächstes genau dieser Ort, und mir wurde klar, irgendwo musste ich falsch gefahren sein. Nichts desto trotz stieg in Igualeja kurz aus um ein paar Fotos zu machen, und folgte dann weiter dem Weg. Der stieg jetzt wieder den Berg hinauf, die Vegetation wurde immer lichter und mit einem mal befand ich mich in kargem Hochland, ein wahrlich krasser Kontrast. Doch auch diese Landschaft hatte wieder ihre ausgesprochenen Reize. Knallbunte Bienenfresser zogen trällernd ihre Kreise und nutzten geschickt die Winde an den struppigen Felsen, in denen versprengte Ziegen herum kraxelten. Weiter folgte ich nun der gut ausgebauten Hochstraße und kam schließlich genau an die Abfahrt der Hauptstraße, die ich ursprünglich nehmen wollte.

Jetzt war mir klar, dass ich offensichtlich eine Straße genommen hatte, die auf meiner Karte nicht eingezeichnet war. Und bei der anschließenden Suche nach einer anderen dort eingetragenen Straße musste ich enttäuscht feststellen, dass diese wiederum gar nicht existierte. Doch auf diese Weise wurde der Ausflug eine besonders schöne Rundfahrt. Wie ich später feststellte, war der erste Teil der Strecke, die „ruta paisajistica“, ein Wanderweg, der unter der Nummer 223 von der Junta de Andalucía geführt wird und spätestens in Pujerra in die MA-526 mündet. Um jetzt die Route sinnvoll fortzusetzen, fuhr ich die nächste kleine Straße von der Hauptstraße (A-376) wieder ab und folgte nun der MA-515. Sie führte mich durch karges Hochland vorbei an Parauta und Cartajima. Hier erinnerten die Felsformationen zur Rechten ungemein an El Torcal und hatten bestimmt denselben Ursprung in Gestein und Verwitterung. Danach wurde es wieder fruchtbarer, und es folgten die Ortschaften Júzgar, Faraján und Alpandeire. Letztere stach durch die besonders auffällige Kirche San Antonio de Padua heraus, welche mit ihren zwei Türmen und dem großen Schiff den ganzen Ort überragte. Den weiteren Verlauf kann ich kurz zusammenfassen, die Straße endete an der A-396, einer gut ausgebauten Landstraße, die mich vorbei an Atajate und Benadalid bis nach Algatocín brachte. Die Kurzfassung soll nicht heißen, dass diese Strecke langweilig gewesen war, im Gegenteil, mehrere Aussichtspunkte boten atemberaubende Panoramablicke über das ganze Valle del Genal. Auffallend auch die quadratische Burg in Benadalid, die, ursprünglich von den Römern erbaut und von den Mauren weiter benutzt, heute als Friedhof dient. Doch mein Ziel war noch die Abfahrt in das Tal selber und zur Ortschaft Genalguacil.

In diese Richtung führte der Abzweig in Algatocín, erst hinab ins Tal, hier wieder dicht bewaldet mit knorrigen, moosbewachsenen Eichen, bis zum Río Genal und dort über eine kleine Brücke. Unter dieser Brücke wurde der Fluss in einem kleinen Becken gestaut und lud viele so manchen Reisenden zum Baden ein. Auch das direkt darüber gelegene Restaurant war ausgesprochen einladend. Der ganze weitere Verlauf der Straße bis nach Genalguacil war nun wieder geprägt von einem Waldwuchs, wie man ihn in solch südlichen Gefilden kaum erwartet, der aber durchaus typisch andalusisch ist, denn diese Art Kastanienwälder ist öfter anzutreffen, hier allerdings in einem begeisternd weitläufigen Ausmaß. Ein paar Kurven später gelangte ich schließlich zur letzten Etappe meiner Fahrt.

Genalguacil, dessen Name sich von Gema-Al Wacir ableitet, was “die Gärten des Wesirs” bedeutet, schien von Weitem ein typisches weißes Dorf zu sein, wie all die anderen vorher. Aber der Eindruck täuschte und wurde schon gleich an der Ortseinfahrt Lügen gestraft, an der mich zwei große Skulpturen begrüßten. Aber ehrlich gesagt hatte ich es auch nicht anders erwartet, denn dieser Ort war mir schon aus verschiedenen Quellen als besonderes Künstlerdorf angekündigt worden. Und so war es auch. An fast jeder Ecke und in jeder Nische stand irgend eine Skulptur von einem der zahlreichen ansässigen Künstler, die teils surrealistisch oder abstrakt, teils naturalistisch waren. Zunächst war es eine Initiative einiger Künstler, der sich aber schließlich die ganze Bürgerschaft angeschlossen hat. Und so wurde aus einem Dorf wie jedem anderen eine ganz besondere Sehenswürdigkeit, eine ganzer Ort als Museum. Gekrönt wird das ganze noch durch eine alljährlich stattfindende besondere Woche der Aktivitäten, Ausstellungen und Seminare. So schlenderte ich dort durch die Gassen, betrachtete ständig neue Skulpturen, wobei ich sicher noch nicht alle gefunden habe, und beendete hier meinen Ausflug.

Natürlich war er noch nicht zu Ende, denn ich wollte ja wieder nach Hause, hatte aber keine Lust, einfach die ganze Strecke wieder zurück zu fahren. Laut meiner Karte sollte die kleine Straße, von der ich nach Genalguacil abgezweigt war, bis nach Estepona weitergehen. Meiner Karte traute ich aber nicht mehr so recht, hatte aber in Algatocín ein Schild in Richtung Estepona gesehen, versuchte es also doch. Ich wurde nicht enttäuscht, im Gegenteil, ich wurde erneut belohnt mit einer wundervollen abschließenden Fahrt durch die Sierra Bermeja, welche wiederum mit einem herrlichen mediterranen Pinienwald bedeckt ist.

Ein paar Tipps

Der Valle del Genal hat für alle Andalusien- und Naturliebhaber etwas zu bieten. Von typischen weißen Dörfern bis beeindruckenden Landschaften ist alles reichlich vorhanden. Dabei spielt es keine Rolle, ob man lieber mit dem Auto oder dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs ist. Die Landstraßen sind gut ausgebaut und bequem zu befahren, aber auch für Wanderfreunde gibt es über ein Dutzend ausgewiesene Wanderwege in dieser Region. Nur die Zeit muss entsprechend geplant werden. Mit dem Auto ist es eine ausgefüllte Tagestour. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß können natürlich an einem Tag nur Teile besucht werden, oder es stehen Übernachtungen in einem der zahlreichen Ortschaften an. Aber auf diese Weise bietet sich die Gegend auch für einen ausgedehnten Wanderurlaub an. Ich persönlich habe wieder eine neue Ecke in Andalusien entdeckt, die ich auch wieder uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Aber ich bin sicher, es wird nicht die letzte bleiben.

Informationen

Wandern in Andalusien – Webseite von Jürgen Paeger
http://www.wandern-in-andalusien.de/
Insbesondere über das Tal des Río Genal
http://www.wandern-in-andalusien.de/html/serrania_de_ronda.html

Turismo de Ronda – Tourismusbüro
Paseo de Blas Infante s/n.
Tel.: 952 18 71 19
E-Mail: informacion@turismoderonda.es
Web: http://www.turismoderonda.es/*
*Unter Aktivitäten – Exkursionen finden sich Informationen über alle Städte der Region.

Genalguacil – Rathaus
Tel.: 95 215 20 03, Fax: 95 215 21 29
E-mail: genalguacil@sopde.es
Web: http://www.genalguacil.org/

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