Guadix – Andalusien einmal anders

Jeder Besucher Andalusiens verbindet mit dem Namen Guadix jene Region, in der die Menschen in Höhlen wohnen, aber nicht so wie in der Steinzeit. Nein, es sind richtige Wohnungen, die statt aus Stein gebaut in Stein gehauen sind. Ein Besuch dieser Stadt vermittelt ein völlig neues Gefühl für Wohnen. Hier wird modernes ökologisches Bauen schon seit Jahrhunderten praktiziert. Dazu kommt noch eine unglaublich extravagante Landschaft, schroff und zerklüftet, wild und weitläufig.

Eine der ältesten Städte

Diese besondere Region wird schon seit Urzeiten bewohnt und auch hier waren schon die Phönizier und Karthager. Damals war der Ort bekannt unter dem Namen Acci, was soviel wie ‘Land der Weingärten’ bedeutet. Auch die Römer hatten ihren gefallen daran und gründeten hier eine Stadt für pensionierte Legionäre. Doch nach dem Verfall des Römischen Reiches verfiel auch diese Region, bis sie von den Mauren eingenommen und zu einem von Granada relativ unabhängigen Königreich wurde. Doch auch Guadixwurde schließlich von den Reyes Católicos zurückerobert, die hier den vermutlich ältesten Bischofssitz wieder herrichteten. Anschließend wurde der Landstrich einer der größten und wichtigsten von der Staatskirche regierten Bezirke im Königreich. Dies änderte sich erst beim Einfall der Franzosen, die 1810 auch Guadix erreichten und der Stadt bis zum zwanzigsten Jahrhundert ihren Glanz nahmen, als die kulturelle Bedeutung durch das Liceo Accitano wieder gestärkt wurde. Seitdem erfreut sich die Stadt, abgesehen von den verheerenden Bränden im Zentrum während des Bürgerkrieges, eines guten Gedeihens.

Besuch in einer anderen Welt

Schon die Fahrt nach Guadix führte, da ich über Granada kam, durch eine wunderschöne Berglandschaft, immer an der Sierra Nevadaentlang. Steil ging die Autobahn gleich hinter Granada in die Höhe, so steil, dass manches Fahrzeug in beträchtliche Schwierigkeiten geriet. Danach führte die Straße durch ein beeindruckendes Tal, dessen steile Hänge teilweise mit fantastischen Felsformationen geschmückt waren. Am Ausgang des Tales eröffnete sich ein wunderschöner Blick auf die mit Wolken behangene, leicht schneebedeckten Gipfel der Sierra Nevada, die grandios in der Sonne glänzten. Ich legte eine Zwischenstopp an der nächsten Ausfahrt ein, um diesen Anblick besser genießen und festhalten zu können. Doch schon ging es weiter, denn mein Ziel, Guadix im schroffen Tal des gleichnamigen Flusses, erwartete mich.

Da ich wusste, dass mich die Autobahn zu schnell und zu direkt dorthin bringen würde, nahm ich die Ausfahrt nach Purullena, um ab hier die Landstraße zu nehmen. Eine gute Entscheidung, denn schon an der Ausfahrt reihten sich viele Keramikläden, die typisch für diese Gegend sind. Auch im Ort selber befanden sich an der Hauptstraße solche Ladenlokale. Außerdem vermittelte mir Purullena gleich einen ersten Eindruck, wie es aussieht, wenn die Häuser zum großen Teil nur noch aus Fassaden bestehen, die sich in die Felsen schmiegen. Ein kleiner Abstecher zu Fuß in die schroffe Landschaft bescherte mir noch den Besuch in einer alten verlassenen Höhlenwohnung. Jetzt schien sie als Stall benutzt zu werden, denn überall lag Stroh auf dem Boden. Doch sie zeigte schön, wie solche Wohnungen angelegt wurden. Eigentlich ganz einfach. Die Front wurde begradigt und danach vom Eingang ausgehend ein Raum nach dem anderen in den Felsen geschlagen. Die vorderen Zimmer bekamen ein Fenster, während die hinteren im Dunkel verschwanden. Dafür waren der Größe eigentlich keine Grenzen gesetzt. Es sei denn, der Felsen war irgendwo zu Ende, dann konnte dort ein weiterer Eingang oder ein Fenster ausgehauen werden. Oder der Nachbar hatte schon seine Wohnung vergrößert. Gute Absprache war sicher nötig, um nicht unversehens im Schlafzimmer des anderen zu stehen.

Nach diesem Abstecher ins felsige Grün fuhr ich weiter über die Landstraße nach Guadix, um dort, geleitet von den Schildern zum Stadtzentrum, genau auf der Straße zu landen, in der sich das Tourismusbüro befand. Wie gewohnt stattete ich mich mit aktuellem Karten- und Informationsmaterial aus, um danach gut gerüstet den Ort zu erkunden.

Mein Fahrzeug ließ ich in der Nähe des Informationsbüro stehen und ging dann zu Fuß am Stadtzentrum vorbei als erstes in das große Viertel mit Höhlenwohnungen, in dem sich auch das Museum befand. Wie ich gelesen hatte, gab es eine Zeit in der die Bewohner von Guadix nicht mehr in den Höhlen leben wollten, und statt dessen in die modernen Hochhäuser im neuen Teil der Stadt zogen. Doch schon bald bemerkten viele, dass die Höhlenwohnungen ihre ausgesprochenen Vorzüge haben: Kein Lärm der Nachbarn, ein gleichbleibendes Klima über das ganze Jahr, welches die Kosten für Heiz- und Klimaanlagen erheblich reduziert. Vorteile, die einen neuen Boom ausgelöst haben, sodass inzwischen neben den bestehenden alten Vierteln, auch ganz neue und moderne Urbanisationen diesmal nicht aus, sondern buchstäblich in den Boden gestampft wurden.

Inzwischen hatte ich das Museum erreicht und ein freundlicher älterer Herr bat mich herein, verkaufte mir mein Ticket und erklärte mir mit einer erfreulichen Begeisterung alles über die kleine gut restaurierte Wohnung, deren Wände mit allen möglichen Antiquitäten voll gehängt waren. Alles Gebrauchsgegenstände aus der Zeit, als diese Höhle noch eine richtige Wohnung war. Der Aufbau dieser Wohnung war einfach, aber sinnvoll und erinnerte mich klar an die verlassene Höhle, die ich vorher gesehen hatte. Am Eingang befand sich eine Art Diele, dahinter ein kleines Wohnzimmer mit anschließendem Schlafzimmer. Von der Diele aus nach links ging es in die Küche mit vorgelagertem Vorratsraum mit Fenster, dahinter Ställe und Lagerräume. Und von der Diele aus nach Rechts ging es noch zu den Toiletten und einem kleinen Medienraum. Die Räume waren nicht sehr groß, aber zum Leben völlig ausreichend. Auffallend an den Decken waren unzählige kleine Nägel, die, wir mir erklärt wurde, dazu dienten, allerlei Arten von Lebensmitteln daran aufzuhängen, um sie zu trocknen und zu lagern. Angefangen von Obst und Gemüse bis zu Schinken und Würsten. Alles soll sich in dem kühl trockenen Höhlenklima hervorragend gehalten haben und zusätzlich noch einen angenehmen Duft verbreitet haben. Das war bestimmt auch nötig, wenn ich bedenke, dass zwei Durchbrüche weiter die Ziegen oder Schafe in derselben Höhle gelebt haben.

Nach dem Besuch dieses kleinen Museums schickte mich der nette Mann noch auf einen kleinen Hügel, der sich nicht weit entfernt befand, mit dem Hinweis, dass man von dort einen hervorragenden Blick auf die Stadt und die Berge habe. Und damit hat er nicht übertrieben. Also suchte ich den Weg, fand ihn schließlich zwischen zwei älteren Höhlenwohnungen und stieg hinauf. Als ich neben den teils rauchenden Schornsteinen vorbei lief, kam mir der merkwürdig unangenehme Gedanke in den Sinn, dass ich ja gerade den Leuten eigentlich auf dem Dach herumlaufe. Doch beruhigte ich mich damit, dass sie meine Schritte durch den meterdicken Felsen bestimmt nicht wahrnehmen würden.

Oben angekommen bewahrheitete sich der angekündigte Ausblick. Die ganze Stadt lag geschützt vor einer zerklüfteten Felswand, die sich kilometerweit von der tief stehenden Wintersonne beleuchtet in die Ferne erstreckte. Überall befanden sich in den Felsen gehauene Wohnungen, ragten die weiß getünchten Schornsteine aus den Hügeln und zeigten, dass auch dort noch Wohnungen waren. Schon ein merkwürdiger Anblick! Eine zerklüftete Felslandschaft, in der sich nur Straßen, Fassaden und Schornsteine befinden. Nein, Fernsehantennen und Wäscheleinen waren da auch noch. Doch jetzt wollte ich noch die Stadt selber besuchen, die sich unten im Tal befand, und deren große Festung und zahlreichen Kirchtürme unter den aufkommenden dunklen Wolken leuchteten.

Das alte Zentrum der Stadt entpuppte sich auch als ein hübsches Juwel in dieser winterlich wilden Umgebung. Der große, von Arkaden umgebene Plaza de la Constitución, die imposante Kathedrale und die vielen anderen Stadtpaläste und Kirchen zeugten von großer Pracht und Reichtum, der in Guadix einmal vorgeherrscht haben muss. Heute fällt es der Stadt offensichtlich schwer, all diese prächtigen Baudenkmäler zu erhalten. In vielen wurden öffentliche Einrichtungen untergebracht, auffallend häufig Schulen und Ausbildungszentren. Aber dafür verbreitete der Verfall an manchen Stellen eine fast märchenhafte Romantik und ich erwartete schon beinahe, das hinter der nächsten Ecke klappernde Hufen die spätmittagliche Ruhe stören würde.

Da ich eigentlich noch ein wenig die Umgebung erkunden wollte, blieb mir nicht mehr viel Zeit. Wenigsten die grandiose Felswand, die sich im Nordosten der Stadt erstreckte, wollte ich mir noch näher ansehen. Ich fand die Straße dorthin, sogar einen Feldweg der mich noch näher heranbrachte und wurde für die Mühe reichlich belohnt. Hier, abgeschnitten von Auto- und Eisenbahn, fand ich noch ein Stück von jenem ursprünglichen, anarchischen Bereich der Höhlenwohnungen. Trutzig in den Fels gehauen, teilweise nur über steile Treppen zu erreichen und bis heute von einigen Bauern und, wie es schien, fremdländischen Aussteigern genutzt.

Jetzt ging es wieder zurück zur Zivilisation, um mich anschließend auf die Straße nach Benalúa de Guadix zu begeben. Hier konnte ich noch einmal in purer und grandioser Abendstimmung baden. Wie im Kino erhob sich die Felswand in der Ferne, leuchtete in der Abendsonne vor dem dämmernden Himmel, an dem sich immer mehr dunkle Wolken zusammenzogen. Schwärme von schwarzen Krähen zogen über mir ihre Kreise und rundeten mit ihrem unüberhörbaren Gekrächze die ganze Szenerie zu einem atemberaubenden ‘multimedialen’ Erlebnis ab. Schwer begeistert fuhr ich schließlich wieder nach Hause und genoss im Vorbeifahren noch einmal den Blick auf die erhabene Sierra Nevada.

Nachwort

Schon oft bin ich auf der Autobahn an Guadix vorbeigefahren, und jedesmal hatte ich mir gedacht, dieses unglaubliche Tal, dass sich dort in der trostlosen Hochebene auftut, zumindest wenn man von Murcia aus heran kommt, musst du dir einmal ansehen. Dieser Eindruck hat sich bestätigt. Es ist tatsächlich einzigartig hier in Andalusien, sowohl landschaftlich als auch architektonisch. Wie viele Artikel habe ich über Ökohäuser gelesen, über Dachbegrünung, über die Integration der Architektur in die Natur. Und hier wird dies schon seit Jahrhunderten praktiziert. Vielleicht aus der Not heraus, oder weil es sich wegen der Art des Gesteins einfach angeboten hat, in jedem Fall aber unglaublich faszinierend. Abschließend muss ich einfach sagen, wer meint, er kennt Andalusien, dieses romantische Land mit seinen hübschen weißen Dörfern, war aber noch nicht hier in Guadix, der hat eine wundervolle Facette dieses Landes verpasst!

Informationen

Oficina de Turismo
Avda/ Mariana Pineda, s/n
Tel.: 958 699 574
Fax: 958 699 573
E-Mail: otguadix@andalucia.org
Web: http://www.andalucia.org
Öffnungszeiten: 8:30 – 15:30 Uhr

Ayuntamiento de Guadix
Plaza de las Palomas, 1
18500 Guadix
Tel.: 958 669 300
Fax: 958 669 319
Web: http://www.guadix.es/

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