Es gibt in Spanien mehrere stillgelegte Eisenbahnstrecken. Diese wurden liebevoll in Rad- und Wanderwege umgestaltet und bieten dem Besucher eine ideale Möglichkeit, die Natur hautnah zu erleben, gekoppelt mit dem interessanten Gefühl, auf einem Stück Geschichte zu wandeln. La Vía Verde de la Sierra ist ein solcher „Grüner Weg“ zwischen Olvera und Puerto Serrano.
Las Vías Verdes
Es ist eine schöne Idee, ehemalige Eisenbahnstrecken in Rad- und Wanderwege umzuwandeln, denn solche Trassen haben oft nur eine geringe Steigung. Hindernisse wurden meist durch Tunnel und Brücken überwunden und Kurven konnten auch nur bis zu einer gewissen Stärke eingeplant werden. All diese Umstände gereichen natürlich besonders ungeübten Radfahrern zum Vorteil, da sie solche Strecken durchaus bewältigen können. In Spanien gibt es einige dieser „Grünen Wege“, unter anderem diese Vía Verde de la Sierra. Sie führt über eine 36 Kilometer lange Strecke von Olvera nach Puerto Serrano, durch 30 Tunnel, über 4 Brücken und vorbei an 5 Bahnstationen. Ein großer Teil der Strecke ist geteert und somit für Fahrräder gut befahrbar. Aber auch die ungeteerten Teile sind problemlos mit einem normalen Fahrrad zu bewältigen. Nur Rennräder dürften Schwierigkeiten bekommen, sind aber sowieso nicht das geeignete Fahrzeug, denn es herrscht in der Regel eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 10 Stundenkilometern. Außerdem dürfen generell keine motorisierten Fahrzeuge diese Wege benutzen.
Unterwegs mit dem Drahtesel
Als Startpunkt hatte ich mir Olvera ausgesucht, denn schon bei einem früheren Besuch dieses Ortes war mir dieser Wanderweg aufgefallen. Die Vía Verde war leicht zu finden, da sie gut ausgeschildert war. Ich parkte mein Auto an der ehemaligen Bahnstation von Olvera und baute mein Fahrrad zusammen. Dabei war ich nicht der einzige, denn das Wetter war ideal, nicht zu warm aber wunderbar sonnig unter blauem Himmel, und so hatten sich auch andere Naturliebhaber eingefunden. Relativ schnell war alles fertig und ich schwang mich guten Mutes auf meinen etwas klapprigen Drahtesel, amüsierte mich noch einmal über die Neubauten an der Seite des Bahnhofs, die in Gestalt von Eisenbahnwagons entworfen waren, und radelte los.
Schon gleich zu Beginn der Tour war ich von der wundervollen Landschaft begeistert. Zur Linken eröffnete sich ein grandioser Weitblick in die Sierra de las Harinas und die Sierra de San Juan. Zur Rechten erhob sich ein beeindruckender Berg, auf dessen Gipfel die Festung von Olvera thronte. Und mittendrin die idyllische Trasse, die sich durch die frühlingsfrische Landschaft schlängelte. Ich genoss den angenehmen Wind, versuchte das Schnarren und Klappern meines Rades zu überhören und blieb immer wieder zum Fotografieren stehen.
Da dieser Teil der Strecke recht hügelig war, befanden sich hier schon gleich zu Beginn mehrere kurze und längere Tunnel, die der Fahrt einen ungewöhnlichen Hauch von Abenteuer verliehen. Die längeren Tunnel waren normalerweise mit Beleuchtung, sodass ich auch mit meiner defekten Lampe problemlos hindurch fahren konnte, aber trotzdem war es manches mal ein seltsames Gefühl, durch die teilweise recht langen schwarzen Röhren zu fahren. Auf der anderen Seite erweckten die vielen klassischen Tunnelportale aber bei mir auch den Eindruck, mitten durch eine typisch gestaltete Modellbahn zu fahren, nur eben im Maßstab Eins zu Eins.
Nach einigen Kurven und Tunnel wandelte sich die Landschaft. Die Hügel wurden sanfter und zwischen den Olivenbäumen spross frische Saat. Solch kräftiges Grün findet sich hier meist nur im Winter und Frühling und ist jedes mal eine Augenweide. Mittendrin plötzlich eine verlassene Bahnstation. Zwei verfallene Gebäude rechts und links der Trasse mit eingestürztem Dach und leeren Fensterlöchern. Die Gipswände, welche wohl den Eintritt in die Ruinen verwehren sollten, waren allesamt herausgeschlagen. Neben den Gebäuden luden Tische und Bänke zur Rast. An dieser Estación de Navalagrulla wurde endgültig deutlich, dass es sich um ein Stück Geschichte handelte, auf dem man hier radelte.
Anschließend ging es weiter durch Wiesen und Felder, die aber inzwischen von kräftigen Rindern bewohnt wurden, deren Hörner beachtliche Ausmaße hatten. Zwischendurch huschte mir ein seltsames Tier quer über den Weg, ich dachte erst an einen Dachs, aber es fehlten die Streifen. Jedenfalls war es etwas Marderartiges, gemäß späteren Recherchen vermutlich ein Garduña, wie der Steinmarder auf Spanisch heißt. Leider war er zu schnell vorbei und ich konnte kein Foto mehr machen.
Inzwischen sah ich, dass der Peñón de Zaframagón, ein gewaltiger Felsen in der Landschaft, greifbar nahe gekommen war. Dieser war der Punkt der Strecke, den ich in jedem Fall erreichen wollte, denn dort sollten sich die großen Geier tummeln. Und schon von Ferne konnte man sie über dem Felsen kreisen sehen. Um dort hin zu gelangen, musste ich allerdings noch durch einen weiteren Tunnel, lang, nass und erschreckend marode. An der Einfahrt war die Decke mit Metallplanken gesichert, die aber schon weitgehend verrottet waren. Aber am anderen Ende sah ich ein Licht, knappe einhundert Meter entfernt. Also fuhr ich hindurch. Zu meiner Freude schaltete sich automatisch noch die Beleuchtung ein, sodass ich nicht ganz blind hindurch musste. Auf der anderen Seite war ich dann am nächsten Haltepunkt angekommen, einem Bauernhof und offensichtlich auch einem Parkplatz, denn es standen einige Busse dort. Noch ein kleines Stückchen weiter war ich dann direkt unter dem Peñón de Zaframagón. Leider auf der Schattenseite, aber trotzdem konnte ich problemlos einige Geier dort bewundern. Eines Tages muss ich einmal dort hin kommen, um sie näher zu beobachten.
Diesmal war ich jedoch etwas unsicher, wie lange ich für die Rückfahrt brauchen würde. Die Hinfahrt hatte sich wegen der vielen Fotostopps etwas hingezogen, gute zwei Stunden für die 14 Kilometer. Allerdings ging es fast die ganze Zeit bergab und ich wusste nicht, wie lange ich wohl für die Rückfahrt brauchen würde. So entschloss ich mich, hier kehrt zu machen und wieder zurück zu fahren. Zunächst ging es wieder durch den unheimlichen Tunnel, diesmal stetig bergauf, danach erneut durch die wundervolle Natur, allerdings weiterhin meist aufwärts. So zog sich die Strecke in die Länge, denn ich wählte meist den kleinsten Gang und kam entsprechend langsamer vorwärts. Dafür machte ich keine Zwischenstopps mehr, nur an der verlassenen Bahnstation macht ich noch einmal eine kleine Verschnaufpause, da sich inzwischen meine radfahrtechnisch untrainierten Körperteile meldeten.
Doch eine Pause war nicht unbedingt von Vorteil, denn danach war es noch unangenehmer. Am einfachsten ging es tatsächlich durch zügiges und stetiges Treten, und so radelte ich mehr oder minder munter durch Kurven und Tunnel. Schließlich erreichte ich meinen Startpunkt am Bahnhof in Olvera und musste feststellen, dass es doch zügiger gegangen war, als ich erwartet hatte. Die Steigungen waren selbst für meine ungeübte Kondition zu schaffen, nur dachte ich im Nachhinein, dass es andersherum wahrscheinlich angenehmer gewesen wäre. Um die gewonnene Zeit auszunutzen, entschloss ich mich, mit dem Auto noch zum nächsten Bahnhof der Strecke zu fahren, der Estación de Coripe.
Die Fahrt dorthin war ebenfalls sehr schön, zunächst dicht vorbei an der verfallenen Bahnstation, die ich vorher mit dem Fahrrad besucht hatte, danach durch eine wundervolle Berglandschaft mit allem, was dazu gehört. Schließlich noch über einen Gebirgskamm und anschließend hinunter ins Tal zur besagtenEstación de Coripe. Sie lag in einem malerischen Tal mit steilen Hängen, die Trasse kam dort aus einem Tunnel und führte anschließend über eine Brücke. Landschaftlich ein grandioser Anblick, doch war mir auf den schmalen Serpentinen die Zeit zwischen den Rädern zerronnen, mit dem Fahrrad wäre ich wahrscheinlich schneller dort gewesen. Ob ich aber auch schneller den Berg wieder hinauf gelangt wäre, weiß ich nicht. Alles in allem war dies jedoch ein schöner Abschluss der Tour.
Es lohnt sich
Wer gerne die Natur Andalusiens einmal ganz pur erleben möchte, ohne gleich zum großen Wanderer oder Radler zu werden, sollte die Vía Verde de la Sierra in Erwägung ziehen, denn sie ist selbst für ungeübte Radfahrer wie mich durchaus zu schaffen. Von Olvera aus geht die Strecke meist bergab, auf dem Rückweg muss man daher wieder hinauf. Man kann die Tour aber auch in der anderen Richtung fahren oder sich ein anderes Teilstück aussuchen. Eine weitere Möglichkeit wäre, in Olvera loszufahren und sich von einem Bekannten am Ende in Puerto Serrano abholen zu lassen. Wer genügend Kondition hat, kann die Strecke natürlich auch komplett hin und zurück fahren. Als Tipp für Vogelfreunde kann ich den Peñón de Zaframagón empfehlen, denn nur selten dürfte es möglich sein, so dicht an die majestätischen Greifvögel heran zu kommen. (Offizielle Besuchszeiten des Observatorio de Buitres de Zaframagón: Mo. – So. 10:00 – 16:00 Uhr.) Und schließlich gibt es noch die Möglichkeit, eine der vielen weiteren Vías Verdes zu besuchen, von denen es in ganz Spanien mittlerweile eine ganze Menge gibt.
Informationen im Internet
Fundación Vía Verde de la Sierra
Ofizielle Webseite der Vía Verde de la Sierra
http://www.fundacionviaverdedelasierra.com/
Programa Vías Verdes
Offizielle Webseite der Vías Verdes allgemein
http://www.viasverdes.com/
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