Durch den Río Chillar – Ein pures Naturvergnügen

Eine Wanderung durch einen Fluss ist an der sonst doch recht trockenen Costa del Sol schon etwas Besonderes. Aber in den Bergen von Nerja kann man es erleben. Hier gibt es zwei der wenigen Flüsse, die das ganze Jahr Wasser führen, der Río Chillar ist einer davon. Er ermöglicht ein ganz besonderes Wandervergnügen, denn man kann fast die ganze Strecke in dem herrlich sauberen und kühlen Wasser zurücklegen, entsprechendes Schuhwerk vorausgesetzt.

Etwas Naturkunde

Der Río Chillar fließt durch die Sierra Almijara, das Gebirge an der östlichen Grenze der Axarquía. Er hat sich seinen Weg durch charakteristischen Kalkstein und Schiefer gebahnt, welche die hauptsächlichen Gesteinsformen dieser Berge sind. Gerade diese Kombination hat bewirkt, dass sich in der Region besonders viele Höhlen gebildet haben, die bekannteste davon die Cueva de Nerja, eine beeindruckende Sehenswürdigkeit. Entlang der ganzen Strecke des Río Chillar finden sich unzählige größere und kleinere Höhlen und auch der Fluss selber hat teilweise faszinierende Formen in den Felsen gewaschen. Dadurch, dass hier ständig Wasser fließt, hat sich eine reichhaltige Flora und Fauna angesiedelt. Entlang des Flusslaufes gedeihen, je nach Bodenart, allerlei Sträucher und Gräser, aber auch große Bäume wie Eukalyptus und Pinien. In diesem satten Grün finden viele Tiere Unterschlupf. Reptilien und Amphibien, die sich gut im Unterholz verstecken; zwitschernde Vögel, die des Wanderers Anwesenheit lautstark verkünden, aber auch kleinere Säugetiere, die sich vor den kreisenden Greifvögeln verstecken. Wer etwas Geduld mitbringt kann hier jedenfalls vielseitig belohnt werden.

Die Wanderung

Als Startpunkt der Wanderung eignet sich der alte Steinbruch kurz nach dem Zufluss des Río Higuerón, denn dort kann das Auto bequem abgestellt werden. Theoretisch ist der Weg mit einem geländegängigen Fahrzeug noch weiter befahrbar, aber es wäre schade, sich dieses schöne Stück entgehen zu lassen oder andere Wanderer zu stören. Der Kiesweg führt entlang des hier in der Regel trockenen Flussbetts, sodass ich mich zunächst über den Hinweis gewundert hatte, der Río Chillar solle ganzjährig Wasser führen. Aber dadurch ließ ich mich nicht von der Schönheit ringsherum ablenken. Es begann mit dem gewaltigen Steinbruch, in dem deutlich der helle Kalkstein gesehen werden kann. Doch schon bald verändert sich der Weg eindeutig in ein trockenes Flussbett, dass sich durch die Berge schlängelt, die zu beiden Seiten steil aufragen. Alles ist mit Sträuchern und Bäumen bewachsen. Besonders auffallend sind die Pinien, die sich mit ihren Wurzeln selbst an schroffe Felsen klammern. Dazwischen klafften gespenstische Höhlen, die mir wie klagend aufgerissene Münder erschienen. Dabei gab es keinerlei Grund zum Klagen. Aufgeregt zwitscherten die Vögel, der Wind rauschte zwischen den Bergen und angenehme Düfte von Pinien und Kräutern verwöhnten meine Nase.

Langsam erschien auch das erste Wasser am Wegesrand, aber noch kaum mehr als ein Rinnsal, das ich an den zwei oder drei Stellen, an welchen es den Weg kreuzte, bequem und leicht überqueren konnte. So mischte sich zu all den duftenden Pflanzen noch die Frische des kühlen Wassers. Schließlich erreichte ich den ersten Fixpunkt der Tour, die Tercera Fábrica oder den Salto Grande, wie die kleine Station zur Stromgewinnung auch genannt wird, und die sich durch ein starkes Wasserrauschen ankündigte. Um dorthin zu gelangen, musste ich eine kleine Betonrampe hinauflaufen, um dann endlich vor dem Río Chillar zu stehen. Er kreuzte den Weg, war zwar nicht tief, aber breit genug, um nicht hinüber springen zu können. Aber dafür hatte ich ja meine Badelatschen eingepackt, die sich jetzt als nützlich herausstellten. So durchwatete ich das angenehm kühle Wasser, um dann im gegenüberliegenden kleinen Eukalyptushain eine kurze Pause einzulegen. Dort trocknete ich meine Füße, zog meine festen Schuhe wieder an um mich anschließend wieder auf den Weg zu machen.

Dieser Weg änderte nun schlagartig seine Beschaffenheit, vom breiten und geräumigen Kiesweg zum schmalen und unebenen Pfad, der sich durch teils dorniges Unterholz schlängelte. Einmal versuchte ich noch, den kreuzenden Bach trockenen Fußes zu überqueren, um dann aber die Schuhe wieder gegen die Gummischlappen einzutauschen. Erst war ich mir nicht sicher, ob dieses Schuhwerk den Anforderungen genügen würde, doch ich stellte bald fest, dass es sich im erfrischend kühlen Wasser ausgesprochen bequem laufen lies. Trotzdem empfehle ich jedem, sich zumindest mit festeren Badesandalen auszurüsten, die vor allem festgeschnallt sind, um ein Verlieren derselben sicher zu verhindern.

Also ging ich weiter, fröhlich platschend durch das Wasser, das absolut sauber und klar war. An manchen Stellen konnte ich auch wieder den trockenen Trampelpfad neben dem Bach benutzen, muss aber im nachhinein sagen, dass es eigentlich nicht nötig war, im weiteren Verlauf aber auch nicht mehr möglich. Dafür wurde der Bach immer märchenhafter. Es rauschte und gurgelte, die Ufer waren gesäumt von Gräsern und Farnen, Schmetterlinge und Libellen flatterten durch die Luft und überall zwitscherten irgendwelche Vögel. Es war unglaublich, ich fühlte mich wie in einer Sage, wie in eine andere Welt versetzt. Keine Autos, keine Häuser, einfach nur Natur pur. Im Nachhinein kommt mir manches Schubertlied in den Sinn, aber auch die Sorge um die vielen Ecken hier an der Küste, die bisher auch so ein kleines Paradies waren, aber Stück für Stück der Großbaustelle Costa del Sol weichen müssen. Zwischendurch gab es auch noch einen Wasserfall, der bei meinem Besuch allerdings leider kein Wasser führte. Es muss sehr schön aussehen, wenn das Wasser aus der Höhe hinab plätschert und sich in den kleinen ausgewaschenen Becken sammelt. Aber auch so war der geschliffene und moosbewachsene Felsen sehr malerisch.

Inzwischen wurde der Bachlauf immer schmaler, ich näherte mich Los Cahorros. Hier wird die Schlucht so schmal, dass man beide Seiten gleichzeitig berühren kann. Zunächst war die Schlucht noch wie ein normales, nur eben sehr schmales und steiles Tal, doch bald wurde es zu einer echten Felsspalte, vom Wasser in den Felsen geschnitten und ausgewaschen. Es haben sich Formationen gebildet, wie sie sonst in Höhlen zu finden sind, die Ursache ist ja auch die gleiche. Überhaupt kam ich mir an dieser Stelle mehr wie in einer Höhle vor, das Rauschen und Gluckern reflektierte von den Wänden und der Spalt über mit war teilweise kaum mehr einen Meter breit. Spätestens hier war mir klar, dass diese Wanderroute wirklich etwas Besonderes ist. Teilweise blieb ich einfach nur stehen, bewunderte die faszinierenden Felsformen und ließ mich vom Wasser umrauschen.

Doch schon öffnete sich der Felsen wieder, es folgte eine Stück Wildbach, und plötzlich tat sich ein kleines Tal auf, das Wasser wurde gestaut und mitten in diesem Tal befand sich eine wunderschöne kleine Lagune, vermutlich das Vado de los Patos. Leider war es noch etwas zu kalt und ich hatte auch keine Badesachen dabei, aber spätestens im Sommer kommt man wohl kaum umhin, in dieser Idylle ein erholsames Bad zu nehmen. Ich gönnte mir eine Pause am Ufer, genoss den unbeschreiblichen Eindruck, um dann meine Wanderung fortzusetzen.

Es folgte ein Stück wunderschöner Gebirgsbach, der sich immer wieder über kleine felsige Stufen ergießt und je nach Untergrund laut rauschte oder manchmal auch ganz leise plätscherte. Das Laufen in diesem Gewässer war eigentlich recht problemlos, trotz der vielen kleineren und größeren Felsen. Trotzdem besorgte ich mir einen stabilen Wanderstab, um die kleinen Stromschnellen sicherer zu durchwaten. Ich hätte noch Stunden so weiterlaufen können, so schön war dieser Bach, doch ein paar quer liegende Bäume und die davon laufende Zeit bewogen mich dann doch, kehrt zu machen und meinen Weg nicht bis zum Ziel der Route fortzusetzen. Dort wäre ich wohl auf La Presa, ein kleines Staubecken, gestoßen, von dem das Wasser für die Tercera Fabrica über eine künstliche Rinne abgeleitet wird.

So ging es für mich eben wieder zurück. Mit Stab und Tasche wanderte ich den Bach wieder hinunter – abwärts ging es unerwartet leichter – wieder vorbei an all den schönen Fleckchen, die ich auf dem Hinweg bewundert hatte. Diesmal benutzte ich überhaupt nicht mehr die Wege am Uferrand, sondern ging die ganze Strecke bis zum Salto Grande durch das Wasser. Meine Badeschlappen haben zwar etwas Schaden genommen, aber im großen und ganzen durchgehalten. Jetzt wieder auf dem Trockenen wechselte ich erneut das Schuhwerk, um mich dann zurück zum Auto zu begeben. Noch einmal bewunderte ich die Felsen entlang des Weges, jetzt von der anderen Seite beleuchtet, da es inzwischen Nachmittag war.

Begeisterung

Inzwischen habe ich ja einige Ecken Andalusiens besucht, meist mit dem Auto manchmal auch zu Fuß, aber es muss tatsächlich nicht immer das Spektakuläre sein. Diese kleine Wanderstrecke bei Nerja ist ein echtes Kleinod der Costa del Sol. Sie stellt keine allzu hohen Anforderungen an den Wanderer. Man braucht keine sonderlich starke Kondition, nur passendes Schuhwerk, einen Wanderstab, etwas Proviant und ein wenig Sicherheit auf den Füßen. Und wer mag sollte unbedingt Badesachen dabei haben. Dann wird dieser Ausflug zu einem wunderbaren Erlebnis, einem Genuss für jeden, der die Natur liebt, und ein kleines Abenteuer für den, der im Urlaub mal was anderes als nur Strand sehen möchte.