Die Pet Shop Boys kommen nach Málaga!

Über ein Live-Konzert im Jahre 2007

„Die Pet Shop Boys kommen nach Málaga!“ sagte meine Tochter. Es bedurfte nur geringer Überredungskraft, und schon waren die Karten vorbestellt. Es sollte mein erstes Pet Shop Boys Konzert werden. Dabei habe ich schon vor 20 Jahren ihre Musik gern gehört und bin stolzer Besitzer von den meisten ihrer CDs. Dennoch ging ich dem Event mit gemischten Gefühlen entgegen, da mir jeder Fankult zuwider ist.

Am letzten Donnerstag war es dann soweit, wir reihten uns um 20:30 Uhr in die noch erträgliche Schlange ein, So wie es aussah, hatte auch kein Fans dort genächtigt, um den besten Platz zu ergattern. Unter den anderen Wartenden fanden sich Alte, Junge, Spanier, Südamerikaner, Engländer, Homos und Heteros, also eine bunte Mischung. Manche hatten sich sogar mit dem passenden Fanbekleidungsartikel versehen.

Meine erste Enttäuschung kam, als ich die Eintrittskarte sah. Es sollte ein Vorprogramm geben. Angekündigt waren eine Spanische Boy Group und die Gewinnerin irgendeiner „Spanien sucht den Superstar“ Staffel. Na Klasse, dachte ich. Das Auditorium füllte sich nach und nach und wir entschieden uns dafür, uns unten vor der Bühne hinzustellen. Wir wollten die Pet Shop Boys ja nicht nur hören sondern auch sehen. Leider kamen wir aber am Vorprogramm nicht vorbei. Zuerst trat die Psychodelic-Pop-Band Retrodelia auf. Heute nennt man das so, früher hieß das einfach Krach. Der Gitarrist auf der rechten Seite erinnerte stark an einen Lenny Kravitz für Arme, der auf der linken glich einer der vielen Leidensdarstellungen von Jesus. Beide hatte jedenfalls arge Probleme mit ihren Haaren, der erste musste regelmäßig seinen Afrolook aufplustern, der letzte nach jedem Einsatz seinen „Vorhang“ aufziehen, dies schien jedoch ein routiniertes Verfahren zu sein. Der Sänger, ein strubbeliger Zappelphillip, hopste unmotiviert und leicht befremdlich über die Bühne und verhedderte sich ständig mit dem Mikrokabel, erinnerte mich stark an Pogo und Ska meiner Jugendzeit. Die Musik war nicht wirklich schön, dafür aber um so lauter, und es wollte auch keine rechte Stimmung aufkommen. Ich will nicht ungerecht sein, vielleicht bin ich für diese Art Musik auch einfach zu alt. Das Gleiche traf allerdings auch auf die nächste Darbietung zu. Einige elegant gekleidete Herren, die etwas später angekommen waren, fragten ganz aufgeregt, ob Soraya denn schon gesungen hätte. Nein, hatte sie nicht, sie sollte es zu unserem Leidwesen und dem der vielen Pet Shop Boys Fans aber noch tun. Nach einer Umbaupause trat eine junge, blonde Frau auf die Bühne, deren Bekleidung irgendwo zwischen dem Dekostoff eines Wohnzimmersofas und der mobilen Strandumkleidekabine älterer Touristendamen anzusiedeln war, nur sehr viel kürzer eben. Zur Enttäuschung der zuvor erwähnten Herren trug sie darunter nur einen langweiligen schwarzen Slip, der auch beim näheren Hinschauen keinen interessanteren Blick darbot. Dafür wurde aber der üppigen Oberweite viel Bewegungsfreiheit gelassen, so dass die einzelnen Teile von der Künstlerin mitunter manuell wieder in ihre Position gebracht werden mussten. Dies war allerdings einen Blick wert. Auch die vier attraktiven Muskelpakete, die die Gesangsdarbietung professionell tänzerisch einrahmten, waren schön anzusehen, zumindest für den überwiegend männlichen Teil der uns umgebenden Zuhörer. Der Gesang war nicht schlecht, aber dennoch relativ nichtssagend, und als sie nach dem vierten oder fünften Song immer noch nicht aufhörte, machte sich dann doch langsam der Unmut unter dem Publikum breit. Wie gesagt, ich kann hier nur wiedergeben, was direkt um uns herum geschah. Ein paar junge Burschen vor uns,- zum Teil Deutsche, wie sich dann herausstellen sollte-, waren wie wir etwas entnervt wegen des Gekreisches. Ich glaube, wir wären alle froh gewesen, wenn das Vorprogramm im Mute Modus und im Schnellvorlauf abgespielt worden wäre. Mittlerweile war es 24:00 Uhr.

Nach einem endlos dauernden Bühnenumbau ging es dann um 24:45 Uhr endlich los. Tänzer, Sänger und die beiden Protagonisten betraten unter lautem Applaus und Rufen des Publikums die Bühne. Nach dem ersten Song kam dann Neil Tennants schlichtes „Buenas noches Málaga!“ und seine Ankündigung einer Reise durch die Popmusik, die in „Suburbia“ begann. Nach wie vor tolle Songs, die keines wilden Gezappels bedürfen. „Rent“ wurde puristisch im Sitzen vorgetragen. Neil Tennants Stimme ist unverändert einmalig, angenehm zu hören und unglaublich sexy. Meine ursprüngliche Angst vor eventuellen kultartigen Auswüchsen, wie bei Konzerten anderer Gruppen durchaus üblich, war völlig unbegründet. Hier präsentierten sich echte Künstler, die keine arrogante, das Publikum verachtende Performance darboten. Neil Tennant und Chris Lowe, der übrigens unter seiner Mütze und Brille wie immer nicht wirklich zu erkennen war, waren Teil der Pet Shop Boys. Hier war kein übertriebener Narzissmus, keine Selbstdarstellung notwendig. Es schienen normale Menschen, die man auch mal auf ein Bier einladen oder einfach mal nach ganz profanen Dingen befragen möchte. Es machte ihnen auch ganz offensichtlich Spaß, für die Leute zu spielen, zumindest hatte ich diesen Eindruck. Etwas fiel mir besonders auf, die Pet Shop Boys sind sich und ihrem Stil zwar treu geblieben, verleugnen aber ihr Alter nicht. So manch ein Künstlerkollege erregt da als 50 jähriger Teenager doch meistens das Mitleid seiner Zuhörer. Ein Glück, gut muss also nicht immer blutjung und neu sein, und ich steh’ sowieso eher auf reife Männer. Und was ihre Bühnenpräsenz anbetrifft, so ließen sie das Vorprogramm wie ein paar alte, eingeweichte Brötchen aussehen. Manche müssen eben wie Aufziehmännchen hopsen, ins Mikro röhren wie ein brünstiger Hirsch oder ihre sekundären Geschlechtsteile aktiv zum Einsatz bringen und wirken trotzdem wie ein altes Stück Gebäck, andere stehen mit einem schlichten schwarzen Anzug und Zylinder oder einer simplen neongelben Jacke und Schirmmütze auf der Bühne und es kommt sofort etwas rüber. Letzteres war nun der Fall. Jetzt ging das Publikum endlich mit. Schließlich kannte man ja die Songs von „Shopping“ bis „Flamboyant“ und alle haben mitgesungen. Interessanterweise war die Musik im Gegensatz zum Vorprogramm lange nicht so laut. Dort hatte ich mir bisweilen die Ohren zugehalten. Das Hauptprogramm hatte so etwas offensichtlich nicht notwendig. Auch die Bühnenshow mit Multimediawand, Neoneffekten, tollen Kostümen, Tänzern und Sängern (besonders erwähnenswert die einzige weibliche Beteiligte mit einer klasse Stimme) ließ nichts zu wünschen übrig. Um ca. 2:30 Uhr war dann nach der letzen Zugabe, natürlich „Go West“, leider alles vorbei. Schade! Ich hätte es noch gut ein paar Stunden mehr ausgehalten.

Vielen Dank an die Pet Shop Boys für die Show, die viel zu schnell zu Ende war.

Judith Maga, Málaga 2007