Untermieter


Schon oft wurde unser Hof von wohnungssuchenden Schwalbenpärchen inspiziert, doch bisher waren sie alle zu scheu, um sich mitten unter Menschen, Hunden und Katzen anzusiedeln. Doch dieses Jahr kam ein wohl jung vermähltes und verliebtes Pärchen munter trällernd und dachte sich: Hier gefällt es uns. Nun, das mit dem Trällern und Zwitschern hat ja gut funktioniert, doch der Hausbau wollte zunächst nicht so recht klappen. Tapfer haben es die Beiden auf einer Länge von rund einem Meter versucht, den Grundstock für ihr neues Heim zu kleben, doch irgendwie hat der Lehm nicht so recht haften wollen. Doch Übung macht bekanntlich den Meister und so haben sie es schließlich geschafft, ihr schickes, kleines Ein-Terrassen-Appartement zu installieren. Baumaterial gab es zur Genüge, besonders nebenan auf der neuen Pferdekoppel, was zur Folge hatte, dass ihr gemütliches Nest mit hübschen Girlanden aus Pferdehaar verziert war. Endlich war es geschafft und fast einen Monat lang geschah gar nichts mehr. (Stimmt natürlich nicht, es war nur nicht offensichtlich).

Doch dann waren leise und zaghafte Stimmchen vernehmbar. Die Geduld war mit Erfolg gekrönt worden und vier kleine Schnäbelchen reckten sich hungrig den einfliegenden Eltern entgegen. Bald waren die Stimmchen nicht mehr so zaghaft, sondern eher fordernd, was logischerweise die Aufmerksamkeit der betatzten Mitbewohner erregte. Doch die hatten keine Chance. Das Nest war unerreichbar, die Eltern aufmerksam, und so wurde jeder Annährungsversuch mit lautem Gezeter und luftakrobatischen Verwirraktionen vereitelt. Interessanterweise wurden auch fremde Schwalben nunmehr im Hof nicht mehr geduldet, sondern von dem tapferen Pärchen eiskalt verjagt. Die Brut wurde inzwischen größer und größer, passte kaum noch in das heimelige Lehm-Studio und entschloss sich daher schon nach einem Monat, diese Enge zu verlassen und sich den Schwärmen ihrer Artgenossen bei der Jagd nach Mücken und Fliegen anzuschließen. Nur in der Nacht setzten sie sich wieder hinein in ihr Nest, besser gesagt auf den Rand, hinein passen sie nicht mehr.

Was wir von unseren neuen Untermietern halten? Absolut süße Mitbewohner, wenn sie nur nicht so viel unter ihr Nest fallen lassen würden. Auch der allmorgendliche, frisch fidele Jubelsang ist arg gewöhnungsbedürftig, denn dieser Wecker ist unabänderbar auf Viertel vor sechs gestellt. Da hilft nur eins: Fenster schließen und weiterschlafen. Sie machen es damit wett, dass sie eigentlich kaum Scheu vor uns haben und wir überhaupt keine Rücksicht auf sie nehmen müssen Von wegen „seid leise, nicht die armen kleinen Vögelchen erschrecken“. Und so gesellen sich zu Hund, Katzen, Mäusen und Geckos nun auch noch Schwalben in unseren Hof. Nur auf die Mäuse könnten wir herzlich gerne verzichten!