Eine Leidenschaft

Eine Kurzgeschichte

Es fing klein an. Irgendwann ging ich in unsere große, gut ausgestattete Küche. Ich sah mich um. Es war alles vorhanden, was man zur Erstellung abwechslungsreicher Speisen benötigt. Um so mehr verwunderte es mich, daß uns unser Küchenmädchen Luise, solange ich des Denkens fähig bin, eintönige und simple Mahlzeiten zubereitete. Doch lag dies wohl an ihren beschränkten Fähigkeiten. Ich entdeckte zu meiner Rechten ein kleines Regal, welches einige alte und verstaubte Bücher bereithielt. Nähertretend fand ich meine Vermutung bestätigt. Es war eine Auswahl erlesenster Kochbücher, dessen Vorhandensein Luise anscheinend übersah. Das konnte ich nun gar nicht verstehen, entzückte mich der Anblick dieser wunderschönen braunen Buchrücken doch aufs äußerste. Schon bald lag einer dieser Bände geöffnet vor mir, und da geschah es. Mich ergriff ein tiefer, erregender Zwang, auszuführen, was jenes kleine Büchlein mir vorschrieb. Ich hatte mich bisher noch nicht in der Kunst des Kochens geübt, doch gelang mir schon bei diesem allerersten Mal ein gar köstliches Gericht, seinesgleichen ich von Luise noch nicht erlebt habe.

So war meine Leidenschaft geboren. Bald ging ich des Öfteren in die Küche und gebar dort Speisen, welche bei mir größte Freuden hervorriefen. Doch schon bald wurde meine neue Liebe getrübt. Mein werter Vater verschied. Ich mußte sein Geschäft übernehmen und ein Berg von Arbeit nahm mich derart in Anspruch, daß ich keine Zeit mehr fand, mir auch nur das kleinste Gerichtchen zuzubereiten. So mußte ich mit Luisens Mahlzeiten vorlieb nehmen. Es war eine grauenvolle Zeit. Schnell war mein Entschluß herangereift und ausgeführt, Luise durch eine hervorragende Köchin zu ersetzen. Zwar konnte ich nicht mehr selber kochen, doch kam ich endlich wieder in den Genuß, etwas köstliches, auf meinen Wunsch hin immer wieder erregend neues, zu verspeisen.

Seither sind schon viele Jahre verstrichen. Ich glaube, daß alles, was es auf dieser wunderbaren Welt Genießbares gibt, von meinem Gaumen probiert, geprüft und genossen wurde. Doch heute ist ein denkwürdiger Tag. Erstmals muß ich eine dieser unzähligen Speisen ein zweites mal zu mir nehmen. Habe ich denn wirklich alles probiert? Für die erste Wiederholung habe ich mich für ein Schnitzel nach original Wiener Rezept entschlossen. Aber mich überkommt ein Gefühl, daß doch noch etwas fehlt. Ich kann nicht greifen, was es ist. Ein Fisch oder eine Sorte Fleisch? – Fleisch, ja, Fleisch muß es sein. Die Tür wird geöffnet. Da, da ist es und bringt mir mein Wiener Schnitzel!

(Hausaufgabe Germanistik-Studium)